Moin. Willkamen in dat nie’e bunte Johr!

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Au ha. Wat war dat warm güstern an Silvester. 14 Grad, so warm as noch nie. Dorto Schietwetter. Un nu? Aver erstmol: Moin twintig-dreeuntwintig. För all, de’s nich wüsst: En Moin seggt mehr as dusend Wöör. Moin is graadut, da gifft dat keen links un keen rechts. Un ok keen swart un keen witt: Moin is bunt. Seggt man so. Kiekt man in’ne Chronik tweeuntwintig, dann war da bannig veel swart-rechts-witt-links. Un dat gifft veel to veele Dösköppe – aver Goode, de gahn sin. Man schaad, dorbi köönt dat Leven so moi sien, wöörn wi de Lüüd so nehmen as se sünd, un nich so, as se wull sien köönt. Na ja, es is wi’s is un es blifft wi’s is: Klook schnacken köönt se all, aver Doon is’n Ding.

Genug geschnackt. 2022 ist um, es lebe 2023. Onkel Frank-Walter hatte wieder den Weihnachtsmann gespielt und zum Feste aus dem großen Buch der Erkenntnis gelesen. Ich denke: Bei seinen ach so ermutigenden und zuversichtlichen Worten muss dieses neue Jahr in unserer Bunten Republik doch besser werden als das alte. Und als das davor – und das davor-davor. Irgendwann muss doch mal Schluss sein mit diesen Krisen.

Apropos Krisen: Wir hangeln uns von der einen in die nächste und als bekennender Satire-Fan ist es für mich immer wieder spannend, wie Kabarettisten damit umgehen. Der Philosoph Philipp Hübl nannte das einst: „Die Satire ist eine Art Peer Review für unsere Moral.“ In dem Sinne hat Kurt Tucholsky wohl recht: „Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: Er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.“ Das mag für Leute wie Christian Ehring [extra 3], Oliver Welke [heute show] und Urban Priol sicherlich zutreffen. Bei Jan Böhmermann bin ich gelegentlich skeptisch und Dieter Nuhr gehört für mich schon seit Jahren nicht mehr in diese erste Liga. Mich irritieren seine Relativierungen des Klimawandels und der Corona-Pandemie gleichermaßen wie sein Polit-Bashing, das mich sehr an das Stammtischniveau unserer ehemaligen Dorfkneipe von vor 30 Jahren erinnert.

Oder kann es sein, dass Nuhr nur sagt, was sein Publikum denkt – das jedoch anderseits denkt, er sei einer von ihnen und würde wie sie denken? Oder denkt er wirklich so und die Bühne dient ihm dabei als Mittel zum Zweck? Keene Ahnung. Das ist aber auch egal, er hat seine Klientel, er bedient sie und die dankt ihm mit Applaus. Plus Eintrittsgeld. Das gehört zum BuntSein dazu, denn auch an den Rändern des Farbspektrums gibt es Farben 😉

Wie gesagt, es is wi’s is. Bei allen Ausnahmen: Wir denken – leider oft nicht nach, stattdessen in schwarz undoder weiß. Ich wünsche mir, wir täten das in diesem Jahr weniger und sähen mehr die bunte Vielfalt dazwischen. Das hülfe dann vielleicht auch beim Glauben, nämlich an das Gute. Ich weiß, das ist ein frommer Wunsch. Wahrscheinlich mit einer Halbwertszeit bis zum nächsten Aufschrei von irgendwelchen Meckerbüdels. Trotz alledem …, ich will’s zumindest versuchen!

Gestattet mir trotzdem noch ein paar Worte – quasi als Chronistenpflicht – was ich abschließend über die WM in Katar denke: Die Argentinier sind die neuen Fußball-Weltmeister und wir aus der Bunten Republik gelten als „Moral-Weltmeister“. Der Aufruf #BOYCOTTQUATAR zeigte (nur) in Deutschland Wirkung, tatsächlich haben bei uns rund ein Drittel weniger die Spiele im TV gesehen, als sonst bei den Weltmeisterschaften üblich.

Ich erwähne das, weil: Die in Katar gewesene ARD-Reporterin Lea Wagner berichtete in der Sportschau, dass deutsche Medien zumindest während der WM das Thema Menschrechte für sich exklusiv hatten. Das wiederum veranlasste den Moderator Claus Lufen zu der Frage: „Ist das typisch deutsch, dass wir die Wertepolizei sind und unsere Moralvorstellungen in die Welt posaunen?“ Und weiter zu der deutschen Themen-Exklusivität: „Das würde ja dafür sprechen, dass das Thema bei uns von irgendwem gesetzt worden sein muss, also wer macht das? Die Medien, Zeitungen, wir im Fernsehen, auch wir im Öffentlich-Rechtlichen?“

Ich denke, die Frage ist eine rein rhetorische, denn die Antwort liegt in der Frage selbst. Bei all unseren Geschäften mit Katar verwundert so auch nicht der Vorwurf der Doppelmoral. Und warum erinnert mich das jetzt an die Precht-Welzer-These, dass Leitmedien nicht nur über Themen berichten, sondern sie auch machen? Ja, ja, die Vierte Gewalt im Staate. Unkommentiert lasse ich das einfach mal so im Raum stehen …! Punkt. Vielleicht nur so viel: Die Bilanz in der internationalen Presse fällt bunter aus. Ich denke, das ist auch gut so! Aber darf ich jetzt auch alles glauben, was ich gerade so denke? 😉

Frei übersetzt nach Urban Priol:

Twintig-dreeuntwintig ward evenso
as twintig-tweeuntwintig.
Tominnst. Mook wi dat Best dorut!


057 [Inhaltsverzeichnis]

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15 Gedanken zu “Moin. Willkamen in dat nie’e bunte Johr!

  1. Daggi Dinkelschnitte 1. Januar 2023 / 10:49

    Geschäfte mit Katar: Stadion- Archi: Büro Speer, Frankfurt a.d. Börse, Elektriktiktik: Siemens, München ohne Steuerprüfung.

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  2. Doris S aus H (@88_doris) 1. Januar 2023 / 10:54

    „Klook schnacken köönt se all, aver Doon is’n Ding.“
    Richtig. Ich erinnere daran, dass wir nach 16 Merkel-Jahren 🤦‍♀️ ins Jahr 2022 gestartet sind in großer Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland. Wir verlassen das Jahr und sind weitgehend unabhängig von russischem Gas, Kohle und Öl. Wer diese Mammutaufgabe in Rekordzeit erfolgreich gestemmt hat? Robert Habeck. Statt dafür „DANKE“ zu sagen, wir von rechts gelästert, geschimpft und verunglimpft. Egel ob diese „alten weißen Männer“ 👴 Merz oder Nuhr heißen, oder Kotzbrocken 🤮 aus der AfD sind, niemand von denen muss beweisen, dass er es besser könnte.
    Das neue Jahr ist noch nicht 11 Stunden alt und ich könnte mich schon wieder aufregen 😡!
    Alles Gute für 23 und mögen sich deine „frommen Wünsche“ erfüllen 🍀👍🎨

    Gefällt 3 Personen

    • sinnlosreisen 1. Januar 2023 / 11:04

      Das finde ich auch, der Habeck macht echt einen guten ehrlichen Job. Das erkennen viele noch gar nicht.
      Aber Vorsicht mit dem Begriff „alte weiße Männer“ – da gehöre ich streng genommen auch dazu. Ich mag diese Pauschal-Schublade gar nicht. 😉

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      • Doris S aus H (@88_doris) 1. Januar 2023 / 11:56

        Deshalb die „Strichelchen“, denn einerseits, wäre ich ein Mann, würde ich auch dazu gehören, anderseits erfüllen sie das Klischee. Bleibt uns nur darauf hinzuweisen, dass wir nicht diesen Stereotypen entsprechen 😁

        Gefällt 2 Personen

      • Meier Sven 2. Januar 2023 / 7:09

        Moin. Willkommen im Club, also dem der „Alten …“ 😉 Ja, ja, diese Schubladen.
        Ich habe ein Faible für alle, die nicht in eine solche hineinpassen. Wo kämmen wir denn hin, wenn alles seine Ordnung hätte (?) – jedenfalls eine Ordnung, wie sie sich manche vorstellen. Nee, nee, ein bisschen Unordnung muss da schon sein 😉

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    • Meier Sven 2. Januar 2023 / 7:00

      Moin. Du hast ja recht, ganz viel sogar 😉 Aber aufregen? Keep cool 😉

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    • Meier Sven 2. Januar 2023 / 7:56

      Moin Eberhard. Erstmal beste Grüße ins Vogtland retour.
      Und danke für den Link. Ich sollte zukünftig doch mal wieder öfters bei Niggemeier&Co reinschauen.
      Gestatte mir zu dem verlinkten Artikel ein, zwei Gedanken:
      Den sehe ich eher vor dem Hintergrund, mein Blickwinkel, dass selbst der Deutsche Presserat 2014 die Berichterstattung über die Aufstände in der Ukraine kritisch unter die Lupe genommen hat und sich auch im Frühjahr 22, nach Kriegsbeginn, zu einem mahnenden Aufruf zu journalistischer Sorgfalt und Verantwortung veranlasst sah.
      Mein Satz: „die Precht-Welzer-These, dass Leitmedien nicht nur über Themen berichten, sondern sie auch machen“, bezog sich eher auf ihr im letzten Herbst erschienenes Buch „Die Vierte Gewalt“, mit dem Untertitel: „Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“. Wobei: „ihre These“ vielleicht zu viel des Guten ist, denn im Grunde handelt es sich um eine Art „Best of“ längst bekannter und immer wieder erhobener Vorwürfe. Aber: Wo ich schon mal „da“ war, habe ich den Artikel von Niggemeier zu diesem Buch gelesen: „Das Buch von Precht und Welzer ist fast so richtig wie die Bahn pünktlich ist“. Ich denke, seine Überschrift trifft es ganz gut. Und blicken wir mal zurück: Spätestens seit 1968, als die Bild-Zeitung sich Rudi Dutschke vornahm und titelte: „Stoppt den Terror der Jungroten“, was ein gewisser Josef Bachmann allzu wörtlich nahm, hat es immer wieder Medienkampagnen gegeben, die die Meinung von uns allen beeinflusst hat oder es zumindest sollte.
      Nur mal am Rande: Wo wurde Bachmann geboren? In „deinem“ Vogtland. Und wo hat er später gelebt und hatte Kontakte zu Rechtsextremisten? In „meinem“ Peine. Die Welt ist klein 😉

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      • eleucht 2. Januar 2023 / 12:01

        Dass mit dem Bachmann ist schon ein seltsamer Zufall. :-))) Ich wusste nicht, dass er hier geboren war.

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      • Meier Sven 4. Januar 2023 / 8:40

        Moin. Das weiß ich aber auch nur, weil meiner Peiner Journalisten-Freund darüber mal geschrieben hat.

        Gefällt 1 Person

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