Der Konjunktiv, die Korrelation und die Kausalität

Moin. Ich bin gestern über diesen Satz gestolpert – und nun die Preisfrage: Wer hat’s gesagt? Tipp: Er war zu seinen Lebzeiten (für mich) ein wahrer Sinn-Erkenner gleichsam wie ein scharfzüngiger Zauberer der Worte.

„Wir Deutschen haben die Welt beherrscht, fremde Völker, die Nordsee und die Natur – den Konjunktiv nie.“

Richtig: Der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Das ist lange her und heute möchte ich ergänzen, dass wir uns mit einer Korrelation im Unterschied zu einer Kausalität ebenso schwer tun – mit der Einschränkung, dass sich wenigstens unsere Qualitätsmedien grundsätzlich bemüht zeigen, der Boulevard hingegen weniger.

Beispiele dafür gibt es genug. Als kürzlich aus den USA (mal wieder) die Nachricht kam, dass das Coronavirus wahrscheinlich seinen Ursprung in einem chinesischen Virologie-Labor in Wuhan habe, statt dort auf dem Markt vom Tier auf den Menschen übergegangen zu sein, wurde daraus auf dem Boulevard und in der Bandbreite seiner gleichnamigen Medien schnell die Behauptung, dass die Zoonosen-Theorie der WHO und namhafter Wissenschaftler falsch ist, Ausrufzeichen!

Das ist so ein Klassiker. Abgesehen davon, dass man bei einer solchen Meldung das Spannungsverhältnis der USA zu China berücksichtigen sollte, gibt es auch ein internes zwischen den Trump-Republikanern und den Biden-Demokraten. Laut New-York-Times – Covid’s Origins: What We Know – existieren in den USA lediglich Untersuchungen, die mal das eine, mal das andere für eher wahrscheinlich halten. Alles im Konjunktiv, Möglichkeitsform. Unbestritten scheint zu sein, dass dort in dem Wuhan-Labor an Coronaviren geforscht wurde. Nebenbei: Auch in andere Staaten arbeiten Wissenschaftler auf diesem Gebiet. Doch allein das Vorhandensein des Labors und das zeitgleiche Auftreten des Virus in derselben Provinz ist zunächst nicht mehr als ein zufälliger Zusammenhang, eine Korrelation, die den Beweis von Ursache und Wirkung, der Kausalität, schuldig bleibt. Man mag einen Labor-Unfall vermuten, belastbare Fakten dafür gibt es nicht. Dafür gibt es eben Hinweise auf eine Zoonose, die jedoch auch nicht wissenschaftlich belegt ist. Ergo scheint alles möglich – und bitte betrachtet das hier nur als ein Beispiel – aus dem Thema halte ich mich ansonsten raus.

Nachrichten sind heute längst mehr als nur eine Information – oft sind sie nur noch das Mittel zum Zweck. Und der lautet: Geld verdienen. Nicht unbedingt bei den ÖR, sicher aber bei allem, was sich daneben abspielt, besonders auf dem Boulevard – denn die alle leben von Klicks, Einschaltquoten und mit abnehmender Tendenz noch von Print-Auflagen. Es gibt wenige Medien-Experten, die das auch offen so aussprechen.

Der Screen ist mit dem Beitrag auf der Seite des DLF verlinkt.

Na ja, weil es eben ist, wie es ist, bleibt die Wahrheit dann schon mal auf der Strecke. Natürlich besonders im medialen Dauerthema Nummer eins, der Kriegsberichterstattung, wo bekanntermaßen die Wahrheit so wie so als erste stirbt. Skeptisch sollten wir immer dann werden, wenn Experten etwas behaupten, was andere nur für möglich halten – als wenn es unter ihrer Experten-Würde liegt, den Konjunktiv zu nutzen. So werden Eventualitäten schnell zur vermeintlichen Gewissheit und aus einzelnen Erkenntnissen wird ein kausales Ergebnis konstruiert – aber eben ein unbewiesenes.

Beliebt ist auch diese Masche: Reichen die Fakten nicht für eine Behauptung, versieht man den Satz mit einem Fragezeichen.

Das ist eine typische Form des Meinungsjournalismus, denn das Zeichen am Ende der Aussage wird vom Leser oft nicht zur Kenntnis genommen und es bleibt die Nachricht als solche: Boris Becker steckt in der Geld-Klemme, die SPD putscht gegen Giffey und die russische Offensive endet in Bachmut. Wer sagt das? Das stand so in der Zeitung! Ah ha.

Aus allen diesen Gründen gehöre ich zu denen, die das Fach Medienkompetenz verpflichtend an unseren Schulen einfordern. Anderseits mache ich mir nichts vor, denn schon der olle Goethe wusste: Jeder liest doch nur, was er lesen will. Ok, ich habe ihn nicht richtig zitiert, aber sinngemäß schon. Außerdem ist es wohl mehr als ein Klischee, dass wir (Deutschen) immer gerne schnell nach der Schuld suchen (Prof. Karl-Rudolf Korte und namhafte Soziologen), dafür braucht es innere Überzeugung und kein möglicherweise. Schade an sich.

Mit diesen meinen Gedanken und einem Balkonblick
von heute Morgen wünsche ich ein schönes Wochenende!


084 [Inhaltsverzeichnis | Blog-Footer]

Sind wir jetzt „Moral-Weltmeister“?

… oder wenn das eigene Weltbild Fragen stellt …

Als bekennender Unterstützer von Non-Governmental-Organization (NGO), wie bspw. dem World Wildlife Fund und Human Rights Watch, habe ich mich von diesen internationalen Nichtregierungsorganisationen durchaus prägen lassen. Was kann verkehrt daran sein, sich abseits von Regierungen oder staatlichen Organisationen für die Umwelt und die Menschrechte einzusetzen? Beides geht uns doch alle an. Die Natur macht sich eh nichts aus Ländergrenzen und die Menschenrechte als moralisch begründete individuelle Freiheits- und Autonomierechte sollten doch universell für alle 8 Mrd. Menschen auf diesem unseren Planeten gelten. Soweit die Theorie.

Praktisch bewegen wir uns allerdings in einem Dilemma zwischen Moral und Doppelmoral. Genau in diese Wunde hat der Kolumnist Thomas Schmoll seinen Zeigefinger gelegt. Ich sag‘ mal so: Wenn man eine ordentliche Portion Häme mit einer guten Prise Zynismus paart, dann kommt man zu Schmoll. Seine Kolumnen-Reihe heißt nicht nur seinem Namen nach Aus der Schmoll Ecke, Schmoll bestätigt das Klischee des nörgelnden Deutschen m. E. auch ziemlich treffend.
Aber: Eine Kolumne ist eine Kolumne und eine Kolumne darf Spuren von Satire enthalten – und die darf bekanntlich alles! Sagte jedenfalls Kurt Tucholsky. Wer damit nicht klarkommt, der frage den Autor oder Redaktionsleiter 😉

Satire darf alles? Wirklich? Spätestens seit Freitagabend, als der Satiriker Jan Böhmermann im ZDF die fragwürdigen Kritiken an den Aktivisten der Letzten Generation in Form von RAF-/Terroristen-Vergleichen quasi umdrehte und sein #RAFDP-Fahndungplakat während seiner halbstündigen Moralpredigt präsentierte, schränken manche ein:
Vergleiche mit der RAF-Mörderbande – ob bei Politikern oder Umweltaktivisten – verbieten sich in jeder Hinsicht, sie sind weder witzig noch geistvoll!
Ok, rein von der Moral her gehe ich da mit. Allerdings waren Satire-Sendungen schon immer die überspitzten Echokammern der Politik bzw. gewisser Medien und wer das Echo nicht vertragen kann, der sollte nicht laut rufen. Das lernt jedes Kind. Oder gilt auch hier eine Doppelmoral? Wird mit zweierlei Maß gemessen? Wenn zwei Moralisten das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe?

Wie auch immer. Zurück zu meiner Eingangsfrage: Wären wir – oder ich – weltmeisterliche Moralapostel, müsste unser / mein Weltbild tatsächlich aus allen Fugen geraten. Würden wir allen Ansprüchen hinsichtlich der Menschenrechte und Umweltstandards genügen wollen, dann wären wir …, ja, wo wären wir dann? Wahrscheinlich irgendwo jottwede – janz weet draußen im wirtschaftlichen Niemandsland. Unsere Alt-Kanzlerin Merkel hat das jüngst in einem Interview sinngemäß so gesagt:
Wenn wir unsere Anspruchs-Messlatte zu hoch hängen, dann kann es sein, dass keiner mehr rüber springen kann.

Für meinen Seelenfrieden habe ich längst eine Anleihe bei Hannes Wader genommen:
Bei allen Vorstellungen von einer besseren Welt kommt das TROTZ ALLEDEM ins Spiel: Selbst wenn sie eine Utopie bleibt, habe ich sie anzustreben und mich so zu verhalten, als könne es so eine Welt geben. Jeder für sich – friedlich und ohne Krawall, ohne Übertreibungen, Populismus und Fakes – aber vielleicht mit ein bisschen mehr Vertrauen in das, was in der Wissenschaft anerkannter Konsens ist. Ich weiß: Eine Utopie. Trotz alledem …!

Apropos Fakes, das will ich noch loswerden:
Über das Bürgergeld ist ja viel Unsinn geschrieben worden. Aber ok, jedem seine Meinung dazu. Die durfte in den Tagesthemen auch der Achim Wendler vom BR äußern. Nur blöd, dass auch er dabei wieder Unsinn erzählte. Aber der Kommentar war gesendet, drehte in den sozialen Medien seine Runden und wer hat schon mitgekriegt, dass der am nächsten Tag auf der ARD-Seite online nicht mehr abrufbar war?

Ja, Fehler passieren. Jedem von uns hin und wieder. Nur dürfen wir an unseren ÖRR besondere Ansprüche stellen – ganz besonders in emotionsgeladenen und mit vielen Fakes gespickten Debatten wie die beim Bürgergeld. In diesem Fall hätte ich mir wenigstens eine Klar- bzw. Richtigstellung auf der Seite des ARD-Faktenfinders gewünscht.

Ein letzter Satz: Ich bin ein Freund der Satire mit ihrer teils humorvollen, teils überspitzten Kritik. Nur sollte sie als solche erkennbar sein und nicht als Deckmantel dienen. Und man sollte sie nicht ernster nehmen als sie gemeint ist. Aber letztlich ist es doch so: Man muss die Menschen vor den Kopf stoßen, damit sie lernen, ihn zu gebrauchen! (nach Dieter Hildebrandt). Dann klappt’s auch mit dem Weltbild – und man muss kein Weltmeister sein, um ein ehrliches zu haben … 😉


052 [Inhaltsverzeichnis]

Zurück im Norden – Alltagsgedanken

Zuhause. Nach unserer Süden-Tour war es schön, ist es schön, wieder zuhause am Meer zu sein. Wie alt das Foto ist, wegen den Badenden? Drei Tage. Luft 18 Grad, Wasser 13. Und das tagelang in der zweiten Oktoberhälfte!

Unsere Rücktour aus dem Harz war mehr ein Kaffee-Hopping durch meine Alte Heimat. Kurzbesuch hier, Klönschnack dort. Na ja, und oft kamen wir neben dem obligatorischen wie geht es dir / wie schaut’s aus bei euch (?) und den sonstigen Banalitäten des Alltags auch auf die derzeitigen Krisen zu sprechen. (Fast) Jeder macht sich halt so seine Gedanken … und die Medien befeuern die auch noch ordentlich. Aber das ist deren Job und niemand ist gezwungen eine Zeitung zu lesen oder Sendung anzusehen 😉

Wenn ich eins mitgenommen habe, dann dass es eine große Unzufriedenheit mit unserer Ampelregierung gibt. Gar nicht mal prinzipiell, sondern wegen der vielen Fragezeichen beim jüngsten Entlastungpaket, was bedeutet das für den Einzelnen, und dass jeder Streit auf offener Bühne ausgetragen wird. Das schafft kein Vertrauen und so wundert es nicht, dass die Ampelparteien SPD FDP Grüne jüngsten Umfragen zufolge – so wurde mir das gesagt – bei der so genannten Sonntagsfrage keine Mehrheit mehr hätten. Ok, mag so sein, aber was wäre die Alternativen? Nee, die will ich mir lieber nicht ausmalen 😉

„Du hast ganz schön viel Meinung für so wenig Ahnung“

Diesen Spruch habe ich im Büro meiner Tochter gesehen und a) kannte ich den noch nicht und b) finde ich den originell. Vielleicht ist das auch so ein bisschen das Dilemma unserer Tage. Nehmen wir bspw. nur mal diese beiden Zeitschriften, denen man im weitesten Sinne noch das Prädikat Qualitätsmedien anheften kann – jedenfalls gibt es viele, die sind viel schlimmer. Was sie und ähnliche gemein haben, dass ist ihr Meinungsjournalismus. Und so kommen wir auch schnell zum Mainstream, usw., usw.. Aber da will ich gar nicht hin, das ist ein anderes Thema.

Nein, ich möchte zum Schluss mein Augenmerk auf eine Reportage von Jessy Wellmer gestern Abend im Ersten richten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche – für ein Jahr noch in der ARD-Mediathek zu sehen – und nein, man muss kein Fable für soziologische Themen haben, um sich diesen 45-Minuten-Film anzusehen.

Text von der ARD-Seite:
Die Journalistin und (Sportschau)-Moderatorin Jessy Wellmer hat sich auf eine sehr persönliche Reise durch den Osten Deutschlands begeben. 1979 geboren im mecklenburgischen Güstrow, hat der russische Angriffskrieg auch in ihrer Familie für intensive Diskussionen gesorgt, die letztlich der Auslöser für diesen Film waren. Wie ticken die Ostdeutschen in Sachen Russland? Warum gibt es hier häufig eine größere Nähe gegenüber Russland? Und was sagt das über Gräben aus, die in der deutschen Bevölkerung auch mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall immer noch existieren? …
Ja, es gibt verschiedene Blickwinkel auf ein und dieselbe Realität und das hat auch etwas mit der unterschiedlichen Sozialisation der Menschen zu tun. Leider verfangen sich manche dazu in der rechten Propaganda auf irgendwelchen Kanälen und sind den um Objektivität bemühten und sich auf Fakten berufende Medien nicht zugänglich – denn das ist ja angeblich der Mainstream und der ist gesteuert. Es gibt ergo keinen Konsens und das ist schade, weil der für eine Debatte so wichtig ist.

Zuhause. Ja, es gibt ganz schön viel Meinung in diesem Herbst. Bisweilen gepaart mit wenig Ahnung. Zuletzt oft gehört: Die Chinesen wollen den Hamburger Hafen kaufen … ist so ein Beispiel dafür. Nein! Die chinesische Reederei COSCO will 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort übernehmen – dem kleinsten der vier Containerterminals im Hamburger Hafen – und nicht den Hamburger Hafen. Nun mag man das gut finden oder nicht, selbst wenn es nur 24,9 Prozent werden sollten und damit der Einfluss der Chinesen begrenzt wäre, einfach nur aus Prinzip wegen der Erfahrungen mit Russland dagegen zu sein, ist auch nicht wirklich zielführend. Folgende Frage steht doch im Raum: Wenn COSCO sagt, ihr werdet zu einem bevorzugten Hafen, wenn ihr die Beteiligung annehmt, dann heißt das im Umkehrschluss …? Unser CDU-SH-Ministerpräsident Günther hat jedenfalls Ahnung, sagt man, und auch eine Meinung, sagt er: Uns in Schleswig-Holstein ist wichtig, dass der Hamburger Hafen wirtschaftlich erfolgreich ist, dass dort investiert wird. Klar, denn davon würde auch unser Bundesland profitieren.

Einen schönen Herbst noch, bleibt munter!


038 [Inhaltsverzeichnis]