Die letzten Tage im Februar

„Wie der Buchdruck alle zu potenziellen Lesern gemacht hatte,
so macht die Digitalisierung alle zu potenziellen Autoren.
Aber wie lange hat es gedauert, bis alle lesen gelernt hatten?“

Jürgen Habermas

Scharbeutz. Ostsee. 23. Februar 2023

Moin. Ende Februar:
= Meteorologisch geht der Winter zu Ende – welcher Winter?
= Es jährt sich, von dem viele – besonders die selbsternannten Experten – noch gestern Abend vor einem Jahr glaubten, dass es nicht passiert. Nie passieren würde, weil ja nicht ist, was nicht sein darf.
= Meine Stimmung entspricht die dem dem Bild oben – seit ein paar Jahren Ende Februar aus rein privaten Gründen – und das macht das alles nicht besser.

Blicke ich allein auf die Zeit seit Ende Februar 2022 zurück, so ist viel über das, was uns seitdem hauptsächlich bewegt, geschrieben worden. Sinniges und für mich auch viel Unsinniges. Dabei ist die Frage berechtigt, ob die veröffentlichte Meinung immer der öffentlichen Meinung – siehe bspw. ARD-Deutschlandtrend oder ZDF-Politbarometer – entsprach? Precht & Welzer haben dazu ihre eigene These und dass die nun auch vom Kabarettisten Nuhr quasi bestätigt wird – siehe Bild links – finde ich dann doch schon irgendwie amüsant 😉 Und vor allen Dingen, dass der Ex-Bild-Chef Reichelt ausgerechnet dem Blatt Glauben schenkt, für das er es zu seiner Zeit mit der Wahrheit nie so genau nahm.

Ja, ja, so ist das. Der Chef einer MedienAG sprach neulich in einem Interview ganz offen diesen Satz:
„Wir reden stets über Währung und nicht über Wahrheit.“
Oft geht deshalb Quantität vor Qualität. Nur die schnellen Klicks zählen, die bringen Geld in die Kasse.

Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine macht sich sicher jeder so seine eigenen Gedanken, hat seine Befürchtungen und wird sich fragen, wie es denn weitergehen wird?

Bei alledem geraten andere Themen medial in den Hintergrund – obwohl sie ebenso wichtig sind: Reden wir bspw. über das Wetter. Nee, eigentlich über unser Klima. Jetzt zum meteorologischen Winterende wissen wir, dass die letzten Monate europaweit nicht nur insgesamt zu warm, sondern auch zu trocken waren. Der milde Winter hat uns einerseits Heizkosten erspart, angesichts der kriegsbedingen Energiekrise auch gut so – anderseits lassen die wenigen Niederschläge für den Sommer Schlimmes befürchten: Das Grundwasser ist endlich. Unsere französischen Nachbarn bspw. erleben gerade den trockensten Winter seit 1959 und befürchten eine katastrophale Situationen im kommenden Sommer.

Gelegentlich wünsche ich mir, dass manche Autoren, besonders die in der digitalen Welt, mehr lesen und weniger schreiben, wenigstens aber erst lesen und dann schreiben. Das ist ein Appell. Gleichsam, dass dem (westdeutschen) Mainstream widersprechende (ostdeutsche [s. MDR]) Meinungen / Empfindungen nicht gleich als geringschätzig abgetan werden. Und wenn wir mehr auf die sog. Randnotizen achten würden, dann fänden vielleicht auch solche uns alle betreffende Nachrichten mehr Beachtung:
2022: Es war der heißeste Sommer in Europa seit Beginn der Wetteraufzeichnung – laut WHO sind in Europa mindestens 15.000 Menschen der Hitze zum Opfer gefallen – darunter Tausende in Deutschland. (ZDF)

An Tagen wie diesen mag man sich fragen, ob uns sinnbildlich das Wasser bald bis zum Hals stehen wird? Niemand kann seriös sagen, zu was der, der auch Wladolf Putler genannt wird, noch in der Lage ist, wie weit er gehen wird und welche Hypotheken das für die Post-Putin-Zeit in sich birgt. Ebenso: Wer sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus noch so hehren Gründen ausspricht, der sollte auch eine Antwort auf diese Frage parat haben: Was wäre mit der Sowjetunion bis 1945 im Kampf gegen Nazideutschland ohne die Waffen, Lkw, Panzer und auch Flugzeuge der Alliierten gewesen?

„Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen
und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er vergaß hinzuzufügen:
Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“

Karl Marx, 1852 in Über andere Personen

Nochmal zurück zum Wasser: Wenn Klimaaktivisten wie Luise Neubauer den medialen Umgang mit der Klimakrise bemängeln, weil die Klimarealität nach wie vor zur Disposition gestellt und eher eine Anpassung an den Klimawandel debattiert wird, dann lässt das aufhorchen.
„Es ist 2022, der existenzielle Kollaps der Lebensgrundlagen ist in einzigartiger wissenschaftlicher Klarheit und Übereinstimmung beschrieben & belegt. Die Auswege auch. Es gibt keinen Grund für faktenbefreites Klima-Kindergarten-Nachgrübeln!“ so Neubauer.
Ok, wie könnten wir uns anpassen? Wir können hier an der See unsere Deiche höher bauen. Damit haben wir schon angefangen. Genauso mit einem besseren Wassermanagement zur Schonung des Grundwassers. Auch die Landwirtschaft ist dabei sich auf die klimatischen Veränderungen einzustellen. Aber irgendwo sind den Anpassungen m. E. doch natürliche Grenzen gesetzt und der beste Weg sollte doch der sein, so schnell wie möglich nicht weiter zur Erderwärmung beizutragen. Oder verstehe ich da etwas falsch, bin ich schwer von Kapee?

Wie auch immer, blicken wir nach vorn und schauen, was der März uns so bringt. Wir lesen uns!


079 [Inhaltsverzeichnis]

Expertenrunde

Moin. Gestern auf meinem Nachhauseweg höre ich den Radio-Moderator unken, dass die 83 Millionen Fußball-Bundestrainer jetzt zwar auch einen Schnellkurs in Handball belegt hätten und mit ihrem Experten-Wissen alles besser wüssten, aber niemand habe unsere Hockey-Herren auf dem Schirm gehabt – und plötzlich sind DIE Weltmeister. Und nicht die Handballer. Und die Fußballer schon gar nicht. GLÜCKWUNSCH!

Erwähnung am Rande und auch GLÜCKWUNSCH an unsere Nachbarn: Neuer Handball-Weltmeister ist Dänemark. Gestern Abend. Im Endspiel gegen Frankreich. Können die Franzosen nur noch Vize? Ich meine nur, weil wegen Katar, Endspiel gegen Argentinien. Ich glaube, ich muss mal einen von diesen Experten fragen. Oder zählt zweimal Vize mehr als einmal einmal Meister? 😉

Nee, im Ernst: Bevor ich mich hier wieder über die deutschen Stereotypen amüsiere, das mit den 83 Millionen Bundestrainern ist natürlich maßlos übertriebener Quatsch. Höchstens die Hälfte interessiert sich überhaupt für Sport und verfügt über ein unendliches Experten-Wissen.

Die andere Hälfte, das sind nämlich die Diplom-Universalexperten – Schwerpunkt Krisenmanagement. Gestern noch als Virologie-Pandemie-Fachleute unterwegs, sind sie nun Ukarine-Russland-Marder-Leopard2-Kriegspartei-Experten. Ach so, von Energie verstehen sie natürlich auch etwas. Und Klima können sie auch, aber nur ein bisschen und das im Nebenfach.

Ja, ja, unsere Experten. So beruhigen sie uns mit ihrem Wissen, dass Deutschland im russisch-ukrainischen Krieg wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine völkerrechtlich keine Kriegspartei ist. Ja, ok, mag sein, aber mich beunruhigt, dass sich Putin-Russland in den letzten Jahren nun so gar nichts aus dem Völkerrecht gemacht hat. Brauchen die im Moskauer Kreml jetzt Nachhilfe von unseren Experten?

Wobei: Auch Experten können irren, irren manchmal sogar gewaltig. Wie war das noch im Februar 22, vor dem 24.? Ich höre noch die Stimmen, dass Russland niemals nie nich die Ukraine angreifen und einen Krieg vom Zaun brechen würde.
Tja, verirrt, verirrt sprach der Igel und stieg von der Drahtbürste – die Realität ist leider eine andere und traurige.

Dazu kommt. dass manche, die von Berufs wegen Experten sein sollten, sich auch den ein oder anderen Fauxpas leisten. Ok, man kann sich ja mal versprechen – und wer dann den sprichwörtlichen Schaden hat, muss sich um den Spott nicht sorgen. Die Medien freut’s, sowas bringt Klicks und die bringen Geld in die Kasse.

Apropos Klicks: Mathias Döpfner, Chef des Axel-Springer-Verlags, hat bei seinen Zeitungen Bild und Welt Sparmaßnahmen angekündigt. Ebenso beim Sender Bild TV wegen enttäuschender Zuschauerquoten. Langfristig soll Springer ein digitales Medienunternehmen ohne gedruckte Zeitungen werden. Stell dir vor, es gibt nur noch Bild-Online und keiner klickt’s an 😉

Das möchte ich noch loswerden: Irgendwie absehbar kommen jetzt die Rufe der Ukrainer nach Flugzeugen und Schiffen. Verständlicherweise wollen sie alles haben, was schießt. Nicht nur am Boden, auch im Wasser und in der Luft. Der ukrainische Undiplomat Melnyk fordert nun die im Dezember ausgemusterte Fregatte Lübeck. Nee, nein, nicht mit mir! Und schon gar nicht ‚unsere Lübeck‘! Das hat die altgediente Fregatte nicht verdient!

Ich hoffe nur, dass sich unser Bundeskanzler Scholz an sein Versprechen – so habe ich es verstanden – hält und das von ihm am 25. Januar vor dem Bundestag eingeforderte Vertrauen nicht missbraucht. Und ich hoffe inbrünstig, dass er nicht irgendwann demnächst wieder an Gedächtnisschwund leidet, sich nicht mehr erinnern kann. Oder wie war das mit Cum-Ex in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister? Das Thema ist so wie so noch nicht durch und weitere Erinnerungslücken wären ein Entlassungsgrund. Punkt!

So, das war gestern so etwas wie ein satirisch angehauchter Screenshot-Abend. Up Platt seggt wi: De Minsch warrt jümmers to fröh oolt un to laat klook. Und auch wenn ich trotz fortgeschrittenen Alters kein Experte in alledem bin, ein bisschen Ahnung habe ich vom Alltäglichen, das bringt meine (Ehrenamts)-Job so mit sich – und diese Leute haben andere Probleme:

Es wäre schön, wenn es auch zu diesen Themen so viele Experten geben würde. Nein, vielleicht falsch ausgedrückt: Es gibt sie, gute und vom Fach, aber die finden m. E. nicht das Gehör, was in der Sache angemessen wäre. Das ist oft leider Realsatire.


071 [Inhaltsverzeichnis]

Die Tiernamen sind jetzt aus …

… was kommt als nächstes?

Moin. Es war absehbar. Was ich denke, habe ich gesagt. Gestern, und davor und auch davor. Punkt. Ich lasse jetzt andere reden und habe ein paar ausgesuchte Twitter-Screens für euch:

Was sich beim ARD-Korrespondenten Markus Preiß schon fast wie eine Legendenbildung liest, …

… hat Ulrike Herrmann von der taz spät abends im ZDF sinngemäß so auf den Punkt gebracht: Ohne das Beharren von Scholz auf gemeinsam abgestimmtes Vorgehen der NATO würden keine amerikanischen und französischen Schützen- und Kampfpanzer in die Ukraine geliefert. Ist das die von Scholz versprochene Führung? Das kann man so sehen – muss man das auch?

Das fand RTL/ntv-Journalist Nikolas Blome gestern Abend vielleicht noch witzig, …

… beim Hauptstadt-Journalisten Tilo Jung klang es dann schon etwas konkreter, wenn auch noch nebulös.

Der SPIEGEL hatte heute Morgen schon mehr Wissen und die von mir eingefügten Sprechblasen entsprechen dem Artikel.

Last but not least die Tagesschau von heute Morgen. Lest es selbst, ich erlaube mir aus dem ARD-Text nur einen Satz herauszukopieren:
>> Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, bejubelte die geplante Lieferung an sein Land geradezu euphorisch – und stellte sogleich weitergehende Forderungen nach modernen Kampfjets. „Halleluja! Jesus Christus!“, schrieb er auf Twitter. <<

Ich enthalte mich dazu jeglichen Kommentars, ihr dürft euch hier aber gerne auslassen 😉


068 [Inhaltsverzeichnis]