Stimmungsmacher

– „Vierte Gewalt“ – Seite 12345

DUDEN: Männliche Person, die Stimmungsmache betreibt. Selbstredend gibt es auch die Stimmungsmacherin oder Stimmungsmachende. Und so weiter 😉

Stimmung, die, als solche, definiert der DUDEN in diesen Fall: Eindruck, Wirkung, die von etwas ausgeht und in bestimmter Weise auf jemandes Empfindungen wirkt. Einfacher ausgedrückt: Sie beschreibt (u. a.) den Gefühlszustand eines Menschen. Soweit die Definitionen 😉

März 2023. Zwei Begebenheiten:

1. Barak Obama in Australien, ein Interview. The Guardian berichtet, ich zitiere:
Former US president tells Sydney audience that media coverage has helped exacerbate divisions and that we no longer have a „shared story“. „Shared Story“, gemeinsame Geschichte, das ist in etwa das, was ich vor zwei Jahren mit meine Aufsatz Der Konsens über das Anerkannte meinte.
Zur Veränderung in der Medienlandschaft – it’s now a wild west an a splintering of media – die (nicht nur) Obamas Meinung nach – „this ist global, this is not uique to the USA“ – zur Polarisierung in der Gesellschaft beiträgt, sagte er lt. Guardian u. a. das: „You no longer have a joint conversation and a shared story. And the economics of the media, the clicks, are now based on how do I attract your attention? Well, the easiest way to attract attention without having to have a lot of imagination, thought, or interesting things to say, is just to make people angry and resentful and to make them feel as if somebody’s trying to mess with them and take what’s rightfully theirs.“
Frei übersetzt: „Man hat kein gemeinsames Gespräch und keine gemeinsame Geschichte mehr. Und die Ökonomie der Medien, die Klicks, basieren jetzt darauf, wie ich Ihre Aufmerksamkeit errege? Nun, der einfachste Weg, Aufmerksamkeit zu erregen, ohne viel Phantasie, Gedanken oder interessante Dinge zu sagen, besteht darin, die Menschen wütend und nachtragend zu machen und ihnen das Gefühl zu geben, dass jemand versucht, sich mit ihnen anzulegen und ihnen das zu nehmen, was ihnen rechtmäßig gehört.“ Das, so denke ich, kann man gut als Stimmungsmache bezeichnen, oder?

2. Ich unterhalte mich abends mit einem jungen Mann, auf dem Papier gerade erwachsen geworden, Fachschüler, wohnt noch bei den Eltern, und will das Gespräch mit den Worten beenden: So, gleich kommt die Tagesschau, mal sehen, was es so Neues in der Welt gibt. Er erwidert mir, dass er sich keine Nachrichten ansieht, weil das seiner Meinung alles nur Stimmungsmacherei sei und was heute richtig ist, ist morgen falsch. Ok, denke ich mir, und frage: Du weißt schon, wer unser Bundeskanzler ist? Ja, das weiß er, beim Vizekanzler muss er aber schon passen. Das Klima-Thema interessiert ihn nicht, weil er würde Fahrrad fahren und den ÖPNV nutzen, wenn das alle täten, hätten wir kein Klima-Problem, und zum Krieg in der Ukraine meinte er nur: Das ist nicht meine Baustelle. Wenn die meinen sich gegenseitig totschießen zu müssen, dann sollen die das tun.

Gedanken …

Ansichten eines jungen Mannes, beileibe nicht zu verallgemeinern, aber wie tickt die Generation Z? Ich muss mir eingestehen, dass ich von ihrer Stimmungslage im Grunde keinen blassen Schimmer habe. Längst nicht alle von ihnen sind Klimakleber und auch das mit der Stimmungsmacherei lässt mich nachdenken – und in meinem Blog-Archiv zu suchen – hier ein paar Textauszüge:

23. Februar 2011: Der Unterschied …
Karl-Theodor zu Guttenberg … Wir erleben es innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal, dass die öffentliche Meinung massiv nicht mit der veröffentlichten Meinung übereinstimmt. Größtenteils jedenfalls. Stichwort Thilo Sarrazin. Jetzt Guttenberg. …

5. Dezember 2015: Meinungsumfragen: Seriös oder Volksverdummung
Kriegseinsatz der Bundeswehr gegen den IS … >> In den Frühnachrichten sagen sie zur anstehenden Bundestagsabstimmung, “… die Mehrheit der Bevölkerung sei für den Kriegseinsatz der Bundeswehr gegen den IS in Syrien, Irak und Nordirak.” Und man macht sich noch nicht einmal die Mühe die Quelle für diese zweifelhafte Behauptung zu benennen. … << …

27. März 2021: Lockerungen: Die geteilte Wirklichkeit …
Lockerungen der Corona-Maßnahmen … Moin. Ihr kennt das vielleicht: Ihr lest und oder seht etwas, immer wieder, aber ihr könnt das für euch so in eurer Wahrnehmung nicht bestätigen. Jedenfalls ging mir das in der letzten Zeit öfters mal so, wenn ich den Ruf nach Lockerungen vernommen habe. …

5. November 2022: Vorverurteilung [Platz der Grundrechte]
Klima-KleberVorverurteilung – das könnte ein Titel für einen neuen Roman der V-Buchreihe von Stig Larsson / David Lagercrantz sein. Doch das Thema ein sehr ernstes und weniger ein unterhaltsames – außer für bestimmte Medien, die damit ihre Leserschaft unterhalten wollen und die Rolle eines modernen Prangers einnehmen. …

12. November 2022: Die Stimmungsmacher
Fußball-WM in Katar / Bürgergeld … Moin. Na, wie ist eure Stimmung so? Kippt sie auch? Also mal wieder (?) – denn das passiert ja permanent. Jedenfalls laut den Medien. Gibt man Deutschland Stimmung kippt in eine Suchmaschine ein, erhält man Treffer ohne Ende. Jahr für Jahr. Da frage ich mich doch, wenn die Stimmung immer am Kippen ist, wo kippt sie hin? Oder dreht sie sich im Kreis? Keene Ahnung. Im Moment sagt jedenfalls das deutsche Stimmungsbarometer, [zur Fußball-WM und zum Bürgergeld] …

24. Januar 2023: Das nicht mehr geführte Telefonat
Panzerlieferungen an die Ukraine … Wahrscheinlich hätte sie auch vom wichtigen Blick über den medialen Tellerrand geredet – und dass wir mit dem wissen, Stand heute, dass es [im Gegensatz zum Eindruck in vielen deutschen Medien] diese Einigung für die Lieferung von Kampfpanzern à la Leopard 2 an die Ukraine nicht gibt. Nicht in der EU, nicht in der NATO, …

26. März 2023: Olaf und das Unterhaltungsbusiness
EU und die E-Fuels … Leider kommt es immer wieder vor, dass medial ein anderes Stimmungsbild vorherrscht als in der Mehrheit der Bevölkerung. Das war während Corona der Fall und bei den Panzerlieferungen auch. Auch jetzt gibt es wieder diesen Stimmungsjournalismus, Stichwort Unterhaltungsbusiness, wenn Deutschland in Sachen E-Fuels (ADAC dazu) als einsamer EU-Blockierer hingestellt wird. NEIN! Ohne Deutschland gab es lediglich keine qualifizierte Mehrheit mehr für das Verbrenner-Aus ab 2035, was heißt, dass auch andere Länder den EU-Vorschlag nicht so toll fanden. …

30. Mai 2023: Ich habe da mal ein paar Fragen zur Wärmewende
?• Kann es sein, dass es diesen rechten Politikern nicht um die Sache, sondern mit ihrer Wortwahl nur um die Diffamierung der Partei der Grünen geht? Oder wie ist es zu verstehen, wenn AfD- und (ostdeutsche) CDU-Politiker von einer Heiz-Stasi oder einem Schnüffel-Staat reden … ?• Kann es sein, dass hinter dieser ganzen Kampagne etwas anderes steckt, als die Kritik an einem mangelhaften Gesetzesentwurf? Was ist die Motivation dieser auf Minister Habeck und die Grünen schimpfenden Medienmacher und Politiker? Lobbyismus? …

+ + +

Das sind über die Jahre hinweg nur einige Beispiele und es gibt noch viele mehr: Ihr erinnert euch bspw. an das Lachen von Möchtegernkanzler Armin Laschet und das Bobbycar des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff? Der eine wurde nie Kanzler und der andere trat zurück. Dann wäre da auch noch der Fall Kachelmann …. Alles zusammen zeigt, wie über die Medien Stimmung gemacht wird / werden kann und nährt (leider) die Precht-Welser-These, dass Medien nicht nur berichten, sondern auch Stimmungen erzeugen.

Stimmung, durch Medien erzeugt, ist allerdings nur das eine. Es ist wie es ist, wir haben das hohe Gut der Pressefreiheit und damit einhergehend eben auch eine große Medienvielfalt von bis. Deshalb gilt die Scholzsche Weisheit: Journalismus ist auch Unterhaltungsbusiness – oder wie Dieter Nuhr es ausdrücken würde: Das ist Journalismus heute: Allzuoft völlig faktenfrei, aber herrlich unterhaltsam. Siehe auch: Abzocke, Verarschung und andere Irrtümer – warum ich verpflichtend für das Fach Medienkompetenz an unseren Schulen bin. Die ist nämlich unbedingt gefragt, um sich in dem großen medialen Angebot zurechtzufinden und sich kein X für ein U vormachen (*) zu lassen. Wenn’s damit klappt, dann klappt’s bestimmt auch mit der Stimmung 😉 Jedoch wäre das genügend Stoff für eine neue Seite.

Weiterer Text folgt vielleicht …

(*) … ein X für ein U vormachen: Die Redewendung bezieht sich auf die lateinischen Zahlzeichen X (10) und V (5). Durch Verlängerung der Striche des V nach unten entstand ein X und damit die doppelte Summe (Schulden). Bis ins 17. Jahrhundert wurde in der Schrift nicht zwischen den Buchstaben U und V unterschieden, daher lautete die frühere Version jemandem ein X für ein V vormachen.

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27. März 2023, aktualisiert am 31. Mai 2023
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